Ich gebe keinen Fick auf die Normen

Die Ignoranz einiger sich selbst bezeichnenden Männer ist schockierend. Ich sehe mich selbst als Mann und werde so gelesen, doch es gibt immer wieder Momente, die mich wünschen lassen, es wäre nicht so. Einen dieser Momente möchte ich heute teilen.

Es war der Dienstag vorm Feiertag, er fand langsam sein Ende und die Nacht begann. Auf der Kärnterstraße ging der Wind. Stephansdom und Mond blickten herab auf mich, einem armen Steirerbuben. Ich bin hierher, in die große fremde Stadt, gekommen, um mein Glück zu probieren und es gefällt mir sehr. Jahrelang hab ich mich in meiner Heimat abgeplagt, fühlte mich nicht wohl, doch jetzt kann ich wirklich sagen – ich bin zu Hause.

Ich war mit Freund:innen in Wien also unterwegs und etwas trinken. Wir machten uns auf den Weg ins U4. Ich saß in der U Bahn mit meinen Ohrringen und die Nägel lila lackiert. Fangt ein Junge an mit mir zu reden und sagt, darf ich dir eine Frage stellen: „Warum lackierst du dir die Nägel?“

Ich antwortete, indem ich sagte es gefiele mir und ich finde meine Hände sehen damit schöner aus – doch dies überzeugte ihn anscheinend nicht. Denn er meinte drauf nur: „Ja, aber das ist schon sehr feminin. Das ist schon sehr sittenwidrig.“

Im Nachhinein hätte ich vielleicht länger überlegen sollen, wie ich meine Antwort formuliere – denn ich hatte eigentlich keine Lust auf eine Diskussion. Leicht angetrunken und nicht begreifend, dass er mit einer Gruppe an Freunden unterwegs war, die eine ähnliche Einstellung dazu hatten, sagte ich: „Na und? Ich gib keinen Fick auf die Normen, die von einer Männer dominierenden Welt gemacht wurden, denn Männer sind Scheiße!“

Sie reagierten darauf so, als hätte ich jedem einzelnen ins Gesicht gespuckt – ein Wunder, dass ich keine Watsche kassiert habe. Nachdem ich ihnen versichert habe, niemanden persönlich beleidigen zu wollen, versuchte ich ihnen auch klar zu machen, dass Männer durch ihre Taten nicht den besten Ruf haben. Gleichzeitig verwies ich sie aber, mit ihrer Begleitung darüber zu reden, das sie sehr viel mehr dazu zu sagen hätte, als ich – als Mann, der ich bin. Als wäre die Frau unsichtbar, redeten sie über sie hinweg weiterhin mit mir und fragten, was Männer denn so schlechtes machen und wie ich das verbessern wollen würde.

Kurz darauf löste sich das Gespräch auf, da wir unsere Station erreicht hatten. Doch diese Frage, was man verbessern, wo man ansetzen sollte, um das zu verbessern, die blieb hängen. Kurz gesagt, habe ich keine Ahnung und auch keine Antwort. Ein erster Schritt wäre aber, wenn Männer sich ihres Privilegs bewusst werden würden und in meiner Sicht, nicht mehr so ignorant durch diese Welt spazieren.

Mir ist bewusst, diese Geschichte ist nichts im Vergleich so vieler, die weiblich gelesene Personen regelmäßig durch gerade diese Männer erleiden müssen (so geschah am selben Abend, dass eine Freundin auf der Straße blöd angemacht und ihr hinterher gepfiffen wurde). Dennoch war es mir wichtig das zu teilen, da diese Geschichte zeigt, dass selbst etwas „feminines“ an einem Mann schon ein Dorn in den Augen vieler sein kann. 

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